Do, 13. Aug. 2015
Aachener Nachrichten – Nord / Lokaltitel Nordkreis / Seite 17
Schüler lotsen Schüler über die Straße
In Würselen werden Heranwachsende ergänzend zu Erwachsenen eingesetzt. Wetterfeste Kleidung bei der Stadt angemahnt.
Von Conny Stenzel-Zenner
Würselen. Alle vier Wochen klingelt der Wecker eine Woche lang eine halbe Stunde früher. Dann stehen Sonia, Sarah, Juline, Jana und die vielen anderen Schülerlotsen auf, damit sie pünktlich um halb acht dort den Übergang für Fußgänger sichern, wo keine hauptamtlichen Lotsen von der Stadt Würselen eingesetzt werden. Dazu arbeiten Stadt, Polizei, das Städtische Gymnasium und die Realschule seit einigen Jahren zusammen.
Autofahrer aufmerksam machen
Zum Schuljahresbeginn melden sich die Schüler, die in der Regel ab dem 7. Schuljahr eingesetzt werden, freiwillig. Warum? „Weil wir helfen wollen. Wenn sich morgens der Verkehr durch die Straßen schiebt, ist es wichtig, dass Lotsen die Autofahrer auf querende Schüler aufmerksam machen. Ein Anreiz am Ende des Schuljahrs ist, als Dankeschön ins Phantasialand eingeladen zu werden“, sagen die Mädchen, die zum Beginn gar nicht wissen, was sie erleben werden.
„Schüler, die sich als Schülerlotse engagieren, übernehmen Verantwortung und sind bereit, sich auch über den Fachunterricht hinaus für ihre Mitschüler und für soziale Belange einzusetzen“, sagt Cornelia Steffes-Walther, Lehrerin des Städtischen Gymnasiums, die gemeinsam mit einer Kollegin bis zu 50 Schülerlotsen im Jahr einteilt, Warnwesten und jeweils die Winter- oder die Sommerkelle zurücknimmt und an die nächsten Lotsen verteilt.
Die Erfahrung zeige, dass die Lotsen oft in vielen Bereichen des Schullebens aktiv seien und eine hohe Sozialkompetenz zeigen würden. „Sie zeichnen sich aus durch Belastbarkeit und Einsatzfreude, besonders auch im Hinblick darauf, dass die Schultage durch G 8 und den Ganztagsbetrieb länger geworden sind und durch den Dienst an der Kreuzung noch etwas zeitiger beginnen“, lobt Steffes-Walther.
Die Kreuzungen, die von der Stadt mit Schülerlotsen geplant sind, sind Bahnhof-/Nordstraße, Neuhauser/Klosterstraße, Haaler Straße am Kreisverkehr, untere Kaiserstraße, Neuhauser Straße/Markt sowie Tittelsstraße. Ein Lotse steht zudem an der Sebastianusstraße.
„Diese Schüler ergänzen unsere 14 Schulhelfer und die drei Springer, die wir im Einsatz haben und die nach geltendem Tarifvertrag mit entsprechenden Arbeitsverträgen entlohnt werden“, sagt Bernd Schaffrath, Pressesprecher der Stadt Würselen.
Die Schülerlotsen sind günstiger. Sie werden mit geliehenen Warnwesten mit Signalstreifen ausgestattet und bekommen vor Lotsenbeginn eine Kelle. „Die Sommerkelle ist leichter, sie ist entweder aus Plastik oder Holz“, beschreibt Jana ihr Dienstutensil. Die Winterkelle dagegen ist schwer, in ihrem Inneren sind Batterien, die die Kelle leuchten lassen, der dunklen Jahreszeit wegen.
Bevor Schüler lotsen dürfen, kommt Polizeihauptkommissar Udo Eibert zum Einsatz. „Die Schüler werden in zwei Schulstunden in Theorie und Praxis verkehrsrechtlich ausgebildet,“ sagt er, der die Lotsen unangekündigt mit Lehrern des Gymnasiums und der Realschule auf Anwesenheit und Pünktlichkeit überprüft. Selten hat er Grund zur Beanstandung, die Schüler nehmen ihren Dienst ernst.
Auch bei Regen, Hagel, Schnee, bei Glatteis und Temperaturen unter null Grad. Da kommen die Schülerlotsen durchnässt in den Unterricht und drücken sechs bis acht Stunden die Schulbank. „Es liegt in der Verantwortung der Eltern, bei Schmuddelwetter im Winter ihre Kinder nicht zum Dienst zu schicken. Dann leiten wir den Ausfall an die Stadt weiter“, sagt Lehrerin Steffes-Walther. Aber das scheinen manche Eltern nicht zu wissen. So kommt es im Herbst und Winter häufig vor, dass die Schüler nass zur Schule kommen, denn Lotsen mit Regenschirm ist nicht möglich. „Es gibt keine Lotsen mit Schirm“, sagt Jana, die wie ihre Freundinnen nie auf die Idee kam, einen mitzunehmen.
Für Regencapes kein Geld
Warum stellt die Stadt keine Regenkleidung zur Verfügung? „Diese Frage ist noch nie an uns herangetragen worden“, sagt Werner Birmanns, Beigeordneter der Stadt, der nichts von durchnässten Schülern weiß. „Jetzt mache ich mich kundig, was es kostet – und dann wird das beraten.“
Er hofft auf den Haushalt 2016. „2015 haben wir dafür kein Geld mehr.“